Es wird die Konstruktion einer neuartigen Ultraschallkamera beschrieben, die über eine Auflösung von ca. 0,1 mm verfügt und die Untersuchung der oberflächenahen Strukturen von Festkörpern ermöglicht. Sie eignet sich zur Beobachtung des Verlaufs der papillaren Linien (die für die Entstehung der sog. Fingerabdrücke verantwortlich sind). Das Gerät läßt sich daher als biometrisches Identifikationsgerät (für die Zugangskontrolle) verwenden, kann aber auch jegliche anderen Strukturen analysieren, die sowohl natürliche als auch künstlich geschaffene, akustisch lesbare Veränderungen der oberflächenahen Schicht enthalten (solche Strukturen können z.B. benutzt werden, um Informationen darin zu speichern). Der Artikel beschreibt die existierende Version einer derartigen Kamera wie auch die physikalische Erscheinung, die die Grundlage ihrer Funktion bildet. Es werden außerdem die Perspektiven der weiteren Entwicklung dieses Gerätes vorgestellt.
In den letzten Jahren läßt sich die Entstehung einer neuen Branche beobachten. Sie hat sogar schon einen Namen bekommen: ,,Die Biometrie". Ihre Schöpfer möchten Geräte konstruieren, mit deren Hilfe es möglich sein soll, die Menschen aufgrund ihrer ,,biologischen" Merkmale zu identifizieren: der Stimme, der Dynamik der Bewegungen, der Gestaltung des Gesichts oder anderer Körperteile, der Muster der Netzhaut oder Iris... Vielleicht die größten Hoffnungen verknüpft man jedoch mit der Möglichkeit, die Struktur der Haut der Fingerkuppen zu erkennen, die für die Entstehung der sog. Fingerabdrücke verantwortlich ist. Es unterliegt keinerlei Zweifel, daß der Verlauf der dort auftretenden papillaren Linien für jeden Menschen charakteristisch ist und sich im Laufe seines Lebens nicht verändert. Da das Berühren eines Sensors mit dem Finger nicht kompliziert ist, hoffen etliche Erfinder der biometrischen Geräte, eine Taste schaffen zu können, die ,,weiß" wer sie drückt, und mit welchem Finger. Zum öffnen einer Tür benutzt, würde eine solche Taste nur die autorisierten Menschen einlassen, und eben davon will die Branche leben... (Ref. 1, 2 und 3)
Seit etlichen Jahren gibt es schon optische Geräte, die die Struktur der papillaren Linien direkt vom Finger lesen können. Die klassischen Werkzeuge der Kriminalpolizei: das Papier und die Tusche haben jedoch immer noch nicht ausgedient, obwohl seit der Zeit der Erfinder der Daktyloskopie, der Herren Henry, Herschel, Faulds und Galton schon mehr als hundert Jahre vergangen sind (Ref. 4 und 5). Optische Methoden haben nämlich viele Nachteile: das unmittelbare Bild des Fingers hat einen sehr geringen Kontrast, es ist leichter, darauf Schmutz als papillare Linien zu sehen, das dreidimensionale Bild ist schwer zu bewerkstelligen und versagt bei abgewetzten Oberflächen (Ref. 2); die Ausnutzung der Lichtreflexion von der Oberfläche des Festkörpers, auf dem der Finger liegt, ist dagegen sehr empfindlich auf Fett, Wasser und Schmutz (und zwar: es schadet sowohl zu viel als auch zu wenig davon). Keine optische Methode kann außerdem leicht feststellen, womit sie es zu tun hat: ob das, was sie sieht ein lebender, echter Finger, eine Attrape oder vielleicht eine auf der Sensoroberfläche zurückgelassene Spur (der klassische oder manipulierte Fingerabdruck) ist... (Die Beschreibung der Funktion und der Bauweise der typischen optischen Geräte enthält die Referenz 6.
Da die optischen Geräte nicht alle Erwartungen erfüllen, kann es niemanden wundern, daß auch andere Methoden vorgeschlagen wurden: Von Constantine Tsikos kommt z.B. die Idee, lokale Kapazität zwischen der Haut der Fingerkuppe und einem flachen Sensor zu messen (Ref. 7). Diese Methode wird in der letzten Zeit von SGS -Thomson (Ref. 8) und auch von Siemens entwickelt (Ref. 3 und 9). Es gibt noch keine Berichte über praktische Erfahrungen mit diesen Geräten, da bisher nur Prototypen vorgestellt wurden.
Die Mitglieder des Teams der Firma Optel haben als Erste die Verwendung von Ultraschall vorgeschlagen (es war 1986 - siehe Ref. 14). Die Ideen, die sie verwirklicht haben, erlauben eine einfache Unterscheidung der echten, lebenden Finger von allen anderen Sachen, sie reagieren nicht empfindlich auf Wasser, Fett und Schmutz, die abgewetzte Fingeroberfläche stört sie nicht, und sie können Perspektiven bieten, die für keine andere bisher vorgeschlagene Methode vorstellbar sind: Es ist zum Beispiel möglich, ein Gerät zu schaffen, das eine ziemlich beliebig große und gebogene Oberfläche besitzt, die auf die Berührung (sowohl eines als auch mehrerer Finger) reagiert und in der Lage ist, die Position und die Bewegung der Finger festzustellen, wie auch, sie zu identifizieren. Ein solches Gerät könnte natürlich die heutigen Tastaturen, Mäuse und Graphiktabletts wie auch die Fingererkennungsgeräte ersetzen (seine Möglichkeiten sind übrigens damit noch nicht erschöpft). Um das Bild zu vervollständigen, muß man noch sagen, daß Ultraschall auch solche Geräte ermöglicht, die klein und billig sind und sich wirklich in einer Taste unterbringen lassen (die Form eines Chips haben können). Ein solches Gerät könnte noch eine sehr interessante Eigenschaft haben: Es ist möglich, es so zu nutzen, daß die Erkennung von Menschen gewährleistet wird, die bei einem entfernten Terminal sitzen und prinzipiell unbegrenzte Möglichkeiten haben, Täuschung zu betreiben. Ein solches Gerät kann man nämlich nicht betrügen.
Es wurden Artikel veröffentlicht, die unsere Geräte beschreiben (Ref. 10 -13), angemeldet und erteilt wurden auch mehrere Patente (u.a.: Ref. 14-16; Patenteigentümer, wie auch der Inhaber aller kommerziellen Rechte ist die Firma Sonident, Vaduz.) In dem vorliegenden Artikel geht es darum, die Aspekte der von uns verwendeten Methoden vorzustellen, die in den bisherigen Arbeiten nicht besprochen wurden.
Die Funktion unserer Geräte beruht auf einer Erscheinung, die bisher offensichtlich von niemandem genutzt, höchstwahrscheinlich auch nicht bemerkt wurde (wir haben bisher keine Spur von Informationen gefunden, die diese Behauptung widerlegen könnten). Man kann diese Erscheinung mit der folgenden Regel beschreiben:
Wenn eine Schallwelle die Oberfläche eines Festkörpers erreicht, die mit einem anderen Objekt in Berührung steht, und zwar so, daß der Kontakt zwischen den beiden Körpern nicht überall gleich (ideal) ist, sondern Ungleichmäßigkeiten (Kontaktstellen, Ecken usw.) aufweist, kommt es an solchen Stellen nicht nur zu Erscheinungen, die mit klassischen Formeln beschrieben sind (Durchgang des Schalls durch die Kontaktfläche, seine Reflexion und Diffraktion), sondern auch zu einer zusätzlichen Streuung und Entstehung von anderen Wellenarten. Ursache dafür ist die Veränderung der Bedingungen der Fortpflanzung des Schalls in der Nähe der Oberfläche des Festkörpers, die durch den Kontakt mit dem angelegten Objekt entsteht. (Wir werden es deswegen Kontaktstreuung nennen.) Es ist sicher, daß diese Streuung nicht nur durch die Kontaktstellen, sondern auch durch die nahen Bereiche des angelegten Objektes verursacht wird (wir werden sie desweiteren oberflächennahe Struktur nennen). Das ist wahrscheinlich der Grund, warum diese Erscheinung sehr stark vom Material des angelegten Objektes abhängig ist.
Die Versuche zeigen, daß der Übergang der Welle vom Festkörper zum angelegten Objekt u. U. gar nicht stattfinden muß: man beobachtet nur die Kontaktstreuung und die Entstehung anderer Wellenarten (besonders deutlich sichtbar ist es bei den Scherwellen). Begründet scheint die Behauptung, daß die an den Kontakstellen entstehenden Störungen der Wellenfortpflanzung hauptsächlich die Phase betreffen (die räumliche Form der Wellenfront verändern), und daß eben solche Modifikationen der Wellenbewegung die unmittelbare Ursache der Kontaktstreuung sind. Wir versuchen zur Zeit, eine Theorie zu entwickeln, die diese Erscheinung beschreiben kann. Diesem Thema wollen wir separate Publikationen widmen.
Einige Zahlen, die die Stärke der Erscheinung demonstrieren können: Bei der Benutzung eines Wandlers, der - im Falle der Beobachtung der direkten Schallreflexion von der freien Oberfläche eines Festkörpers - ein Signal von 1 V produziert, kann man - durch Anlegen an diese Oberfläche einer Messingkugel von 2 mm Durchmesser - unter dem Winkel von z.B. 20 Grad ein Signal von ca. 1 mV bekommen (die Strukturen der Fingerkuppen produzieren in diesem Fall Signale in der Größenordnung von 10 mV). Die Zahlen gelten für die longitudinale Wellen, bei der Benutzung der Scherwellen ist die Erscheinung viel stärker.
Die von uns konstruierten Geräte nutzen die oben beschriebene Erscheinung. Sie messen die durch die Kontaktstreuung verursachten Signale und berechnen das Bild der Struktur, die ihre Sensorfläche berührt. Sie sind natürlich besonders für die Beobachtung der oberflächenahen Strukturen der Fingerkuppen geeignet. Die Beschreibung der Konstruktion dieser Geräte enthalten die erwähnten Arbeiten und Patente (Ref. 10-16). Für alle, die davon noch nichts gehört haben, eine kurze Erklärung:
Die Kontaktfläche des Geräts, an die die zu untersuchende Struktur angelegt ist (siehe Bild 1), wird von der rechten Seite von einer Ultraschallwelle erreicht. Die Wellen, die durch das angelegte Objekt kontaktgestreut werden, empfängt ein Schallwandler (T), der eine Ringbewegung ausführt, deren Achse senkrecht zu der Kontaktoberfläche (x-y) ist. (Der gleiche Wandler kann natürlich auch als Sender dienen, möglich ist auch die Nutzung von mehreren unbeweglichen, statt eines beweglichen Wandlers.)
Um die Struktur mit der Genauigkeit von ca. 0,1 mm aufzulösen, ist es nötig, die Information aus etwa 256 Richtungen (anders gesagt: Punkten des Rings, den der Wandler beschreibt) zu sammeln. Zur Zeit senden wir in jede dieser Richtungen einen kurzen Puls und empfangen eine Impulsantwort (die im Falle eines Fingers ein Frequenzspektrum von ca. 4-16 MHz hat - aufgrund der gewählten Geometrie des Geräts).
Bild 2 Impulsantwort einer Kugel |
Bild 3 Rekonstruktion der Daten das Bildes 2 |
Bild 4 Impulsantwort eines Fingers |
Bild 5
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Bild 6 Abbildung eines Stempels |
Das Bild 2 zeigt den Satz der Impulsantworten für eine Kugel, Bild 4 für einen Finger (die Zeit wird auf der horizontalen, der Winkel auf der vertikalen Achse gezeigt, der momentanen Signalamplitude entspricht die lokale Schwärzung des Bildes - mittleres Grau bedeutet Nullwert). Um aus solchen Daten eine Abbildung der zu untersuchenden Struktur zu bekommen, ist es nötig, eine Rekonstruktion durchzuführen, die ziemlich genau den Prozeduren entspricht, die in der Ultraschallreflexionstomographie verwendet werden (Ref. 17-19). Um eine gute Qualität der Bilder und schnelle Ausführungszeiten dieser Operation zu erreichen, mußten wir eigene Programme entwickeln. Die entstandenen Algorithmen ermöglichen die Rekonstruktion des Bildes aus dem Satz von 256 Impulsantworten (je 256 Samples) in der Zeit von ca. 30 ms (mit Hilfe der normalen Rechner der Klasse Intel Pentium 200 MHz). Wir erwarten, daß diese Zeit, durch die Verbesserung der Algorithmen, auf ca. 20 ms gekürzt werden kann. Die Rekonstruktion, die aus den Impulsantworten einer Kugel errechnet wurde, zeigt das Bild 3; aus den Daten eines Fingers - das Bild 5. Das 6. Bild zeigt die Rekonstruktion eines angelegten Stempels. Das Photo Nr. 7 das Aussehen der aktuellen Geräteversion.
Bild 7
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Bild 8 50ns/div Impuls des in der Firma OPTEL entwickelten Wandlers |
- Objekte mit ähnlicher Struktur, aber aus verschiedenen Materialien, produzieren verschiedene Signale (unterschiedlich ist sowohl die Amplitude, wie auch andere Signaleigenschaften). Die Struktur ist in jedem Fall lesbar. Es ist dadurch möglich, die echten Finger von den Nachahmungen zu unterscheiden.
- Falls man das zu untersuchende Objekt mit Fett, Wasser oder Gel beschmiert, verursacht man dadurch keine nennenswerten Veränderungen des Signals.
- Die Fettspur (Fingerabdruck), die von der Berührung mit einem normal fetten Finger bleibt, ist kaum sichtbar, da das Niveau des Signals, das sie produziert ca. 30 dB schwächer als bei aufegelegtem Finger ist. Die Fixierung dieser Spur mit Hilfe des Rußes oder eines Metallpulvers ändert daran nichts. Zum Vergleich: bei den optischen Geräten ist die Spur vergleichbar mit dem Bild des aufgelegten Fingers.
- Finger, die eine abgewetzte Oberfläche haben produzieren ein ziemlich gut lesbares Bild. Ihre interne Struktur ist offensichtlich noch vorhanden, und die Erscheinung, die wir nutzen, reagiert doch auf die oberflächenahe Struktur.
In der ersten Hälfte des Jahres 1998 planen wir die Schaffung einer Geräteversion, die dank der Nutzung von unbeweglichen Wandlern in der Lage sein wird, das Bild der angelegten Objekte ,,live", d.h. mit 25 Bildern pro Sekunde zu zeigen. Es wird also schon eine echte ,,Ultraschallkamera" sein, die die Strukturen der oberflächenahen Schichten der angelegten Gegenstände sehen kann. Weil sie auch mit der Elektronik ausgestattet wird, die die Rekonstruktion selbständig machen kann, wird man sie an einen normalen Monitor anschließen können. Das heute schon funktionierende Gerät benutzt einen sich bewegenden Wandler und kann ca. 5 Bilder pro Sekunde produzieren. Es muß mit einem Computer zusammenarbeiten, der die Signale bearbeitet und die Bilder auf seinem Monitor zeigt.
Die weitere Entwicklung soll zur Entstehung einer kompakten Version dieses Geräts führen (wahrscheinlich Ende 1998), die - nach der abgeschlossenen Miniaturisierung - wirklich die Form eines Chips haben und in eine Taste integriert werden kann.
[1] E. Newham: The Biometrics Report, SJB Services, ISBN 1-900-18009;
[2] D. Mohrmann: Biometrie als Quantensprung?; W&S 7/97 (Seite 28), Hüthig Verlag, Heidelberg;
[3] H. Müller: Der Körper als Passwort; PC Magazin, Jan. 1998 (S. 256), DMV Verl., D-85622 Feldkirchen.
[4] F. Galton: Finger Prints, veröffentlicht 1892 von Macmillan and Co., London and New York, Neuaflage: Da Capo Press, New York 1965;
[5] H.C. Lee, R.E. Gaensslen: Advances in Fingerprint Technology; Elsevier 1991, ISBN 0-444-01579;
[6] L.H. Andersen, Peter Jürgensen: Fingerprint Verification - for use in Identity Verification Systems, Master Degree Work, Aalborg University 1993;
[7] Siemens AG: EP 0 041 693 A1; 1981;
[8] Fingerprint-Chips, Markt&Technik Nr. 50/97 (12.12.97, S. 46), Magna Media Verlag, D-85531 Haar;
[9] Der Fingertip-Sensor; Blick durch die Wirtschaft, (18.12.97, Seite 6), FAZ Verlag, Frankfurt am Main;
[10] M. Pluta, W. Bicz: Rekonstrukcja struktur dwuwymiarowych z zastosowaniem algorytmu FFT; Akustyka Molekularna i Kwantowa, tom 15 (1994);
[11] M. Pluta, W. Bicz: Synthetic aperture acoustic microscope for evaluation of fingertip peripheral skin structure; SPIE Vol. 2390;
[12] W. Bicz, M. Pluta: Ultrasonic Sensor for Fingerprint Recognition; SPIE Vol. 2634;
[13] M. Pluta, W. Bicz: Ultrasonic Setup for Fingerprint Patterns Detection and Evaluation; Acoustical Imaging, Vol. 22, Plenum Press 1996;
[14] Sonident: World Patent WO-A-8 705 790;
[15] Sonident: US Patent Nr.: 5258922;
[16] Sonident: US Patent Nr.: 5515298;
[17] B. Fay: Strukturuntersuchungen mit Hilfe der Ultraschallrückstreuung; in: K. Brendel (Ed.) Stand und Entwicklungstendenzen der Ultraschallmeßtechnik (Vorträge des 64. PTB-Seminars am 23./24.04.1986), ISBN 3-88314-684-6;
[18] G.T. Herman, A.K. Louis, F. Naterrer (Eds.): Mathematical Methods in Thomography, Proceedings, Oberwolfach 1990, Springer Verlag; ISBN 3-540-54970-6
[19] A. C. Kak, M. Slaney: Principles of Computerized Tomographic Imaging; IEEE Press 1988, ISBN 0-7803-0447-0
*Autor des Artikels und Projektkoordinator
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